Meilentörn Malta – Griechenland: Einfach WIR sein
Noch schnell Emails checken, die Kollegen mit Anweisungen beglücken, man hält sich ja doch zu oft und zu gerne für unentbehrlich. Noch schnell die letzten WhatsApp Nachrichten versenden, die Instagram und Facebook Freunde mit einem Schnappschuss versorgen und das heutzutage fast Unglaubliche an Familie, Freunde und die sogenannten Follower verkünden: Wir werden 3-4 Tage nicht erreichbar sein, weder per Telefon, noch per Internet. Und das ohne Selbsterfahrungskurs oder Einsamkeitscamp im Wald mit Selbstfindungsgarantie gebucht zu haben.
Nein, wir wollen lediglich von Malta in unser geliebtes Griechenland übersetzen, 370 Seemeilen bis nach Pylos am Peloponnes.
Mit dem Motorroller geht es von der Creek Marina in Valletta aus zu einem der kleinen Supermärkte für den Bordeinkauf, dann zum Obst- und Gemüsehändler und im 5 Minutenshuttle mehrmals mit dem 15 Liter Kanister zwischen den Beinen zur Tankstelle. Hier ist Tanken noch richtig Handarbeit! Danke Daniel für Deine Ausdauer in der brütenden Hitze!
Übrigens die Creek Marina scheint nur in den Hafen- und Touristenführern so zu heißen. Sämtliche Taxifahrer inklusive der Zentrale am Flughafen haben ratlos den Kopf geschüttelt und heftige Diskussionen entfacht. Erst durch den Hinweis „Black Pearl Restaurant“ kam das große Aufatmen: Ta’ Xpiex (sprich: Taschpisch) Marina also, warum den nicht gleich raus mit der Sprache?
Bei gutem Wind gehen wir die erste Etappe gemütlich an und verbringen den ersten Abend in der Mellieha Bay zusammen mit ein paar im Päckchen liegenden Booten Einheimischer in Feierlaune. Auch das WM Match Schweden gegen England heizt die Stimmung in der Bucht hörbar an.
Am nächsten Morgen geht es dann zum Ausklarieren nach Gozo. Wir dürfen wieder netterweise kostenlos an der Pier der Marina Mgarr anlegen, um den Behördengang zu erledigen. Eine kleine Rüge kann sich der gut gelaunte Hafenpolizist, nachdem der Hafenmeister die nötige Schreibarbeit im händisch geführten Klarierungsbuch erledigt hat, allerdings nicht verkneifen: Der Pass eines Mitseglers ist seit 3 Monaten abgelaufen. Mit schelmischem Grinsen zeigt er auf die Handschellen an seinem Hosenbund und wünscht uns nach Vorweisen eines anderen Dokuments eine gute Überfahrt.
Es geht los – knapp 400 Seemeilen über das offene Meer
Um 11:30 verlassen wir den Gastliegersteg mit Kurs 077° auf Griechenland. Der achterliche Wind und die quer zum Boot heranrollenden Wellen sorgen leider für etwas Unwohl bei einem unserer Crewmitglieder.
Die Internetdiät aber tut der gesamten Crew gut, es gibt richtige Kommunikation miteinander, face-to-face und ein paar handschriftliche Notizen zu den frei laufenden Gedanken in einem Tagebuch – aus Papier! Und der Gesprächsstoff geht uns all die Tage nicht aus und das obwohl wir gänzlich frei von Nachrichten, Dr. Google & Co sind.
Schöner kann Entschleunigung nicht sein, ein bisschen mehr Wind wäre wünschenswert. Zwischendurch muss der Motor immer wieder angeworfen werden, denn fällt die Fahrt über Grund unter 2,5 Knoten, macht sich Ungeduld breit, und auch das Schlingern des Bootes wird bei langsamer Fahrt anstrengend.
Wie bei jeder längeren Überfahrt gehören die Mahlzeiten zu den Highlights jeden Tages auf See.
Unser Ruccolasalat wurde nach dem Waschgang von Traurigkeit übermannt, und war mit seinen welken Blättern keine Augenweide mehr. Kaum zu glauben bei der Hitze, aber er dürfte im Kühlschrank zu nahe am Eisfach gelegen haben 🙂
Aber schmecken tut er trotzdem noch als Beilage zu den frischen Ravioli.
Noch vor Einbruch der ersten Dunkelheit, ist der erste Roman ausgelesen – ein Genuss wieder mal so viel Zeit für sich zu haben! Die erste Nacht verläuft ruhig und unspektakulär ohne gröbere Manöver. Einzig die Frachter sind am AIS und live gut im Auge zu behalten. Netterweise haben alle Großschiffe, die uns laut AIS etwas nahe gekommen wären, freiwillig schon sehr früh ihren Kurs geändert.
Die Nacht war sehr dunkel und bot einen Sternenhimmel von unglaublicher Schönheit und Intensität. Die kleine Mondsichel ging blutrot erst gegen 3 Uhr Früh auf.
In meiner Frühschicht rauscht die Leine der ausgebrachten Angel in hektischen Intervallen aus, ein verheißendes Zeichen für Fischfang. Das Ratschen und mein Freudenschrei reißen Skipper und Mitsegler aus ihrem Dämmerschlaf. Sofort beginnt unser schon zur Routine gewordenes Fischfang-Prozedere: Segel Fieren zum Speed Reduzieren, Bauchgurt umschnallen, Gaff, Schneidbrett und das große spitze Messer herrichten.
Wir vermuten einen großen Tuna, selbst die trainierten Muskeln des Skippers kämpften mit dem Einholen der Leine. Doch leider bekamen wir unseren Fang nicht zu Gesicht. Wir vermuten, dass ihn die unmittelbar danach vorbei schwimmende Delfinschule „befreit“ hat, die dann schelmisch vor unserem Bug spielte und vor Übermut vom Salto-Schlagen nicht genug bekommen konnte.
Die Zeit vergeht trotz des monotonen Kurses wie im Flug. Nachmittags bereitet uns der Skipper Schweinesteaks mit Rosmarinkartoffeln, wieder eine schöne Abwechslung zwischen den stündlichen Logbucheinträgen und dem Dösen bzw. Lesen oder dem Genießen der Weite des Meeres.
Leider mussten wir zwischenzeitlich den Motor zu Hilfe nehmen, da der Wind deutlich nachließ und 2-3 Knoten Fahrt bei dem starken Schwell und der seitlichen Welle kein Spaß sind, v.a. nicht für unser Crewmitglied, bei dem mittlerweile die Seekrankheit ziemlich ausgeprägt zugeschlagen hat.
Thunfischfang im ionischen Meer zwischen Malta und Griechenland
Am Nachmittag war Poseidon dann gnädig, und wir durften uns über einen ca. 11 kg Thunfisch an der Angel freuen. Eine willkommene Abwechslung für die Bordküche! Aus Rücksicht auf unser erkranktes Crewmitglied wurde der Fang allerdings erst am nächsten Tag zubereitet, um die Übelkeit nicht noch durch Kochdünste zu verstärken.
Nach einem beindruckenden Sonnenuntergang ging es hinein in die zweite Nachtfahrt, zuerst noch unter Motor, ab ca. Mitternacht frischte der Wind aber zum Glück wieder auf, sodass wir unserem Motor wieder mal eine Auszeit gönnen konnten.
Der Sternenhimmel war in dieser erneut extrem klaren Nacht gesäumt von zahlreichen Sternschnuppen, sodass uns beinahe die Wünsche ausgingen :).
Passend zum Ambiente wählte ich als Lektüre für meine Nachtschichten “The Soul of an Octopus*” von Sy Montgomery. Die Zeit alleine an Deck mit dem Sternenhimmel als einzigen Begleiter genieße ich immer ganz besonders. Zu zweit teilten wir uns die Schichten im 3- bzw. 4-Stunden Rhythmus. Der Skipper war wie üblich auf Standby.
Der nächste Tag begrüßte uns erfreulicherweise mit auffrischendem Wind. Leider verschlechterte sich jedoch der Gesundheitszustand unseres Crewmitgliedes; zusätzlich zu den für Seekrankheit typischen Symptomen gesellte sich noch ein äußerst ausgeprägter Lagerungsschwindel. Weder die Standardmedikamente der Schulmedizin noch altbewährte Hausmittel wie Ingwer und Vitamin C, und auch nicht unsere Sea Bands konnten die Seekrankheit mildern.
Mittags erfreuten wir uns an saftigen, medium gebratenen Thunfischsteaks à la NAMBAWAN.
Der konstante Wind aus WNW bescherte uns wieder eine unvergessliche Nachschicht unter Segeln.
Im Morgengrauen hieß es dann auch schon „Land in Sicht“. Die Sonne musste erst über die mächtigen Bergrücken des Peloponnes klettern, bevor sie uns die letzte Etappe so richtig zum Strahlen brachte.
Am späten Vormittag legten wir in der Pylos Marina in der Navarino Bucht an. Die bei Langfahrtseglern und Aussteigern beliebten kostenlosen gut geschützten Liegeplätze erfreuen sich großer Beliebtheit und wir gingen mangels anderer Optionen an einem beschlagnahmten Schlepperboot längsseits. Das Zeugnis des brutalen Geschäfts mit Flüchtlingen stimmt uns nachdenklich.
Die nächsten Programmpunkte waren: Einklarieren, Relaxen, Schwimmen, Einkaufen und an vorderster Stelle die Hoffnung auf Genesung unseres Crewmitgliedes, jetzt wo wir sicher und ruhig im Hafen lagen.
Leider verschlimmerte sich der Gesundheitszustand jedoch weiter, weshalb wir abends einen Krankenwagen organisierten, um für eine Erstversorgung in die lokale Krankenstation zu fahren. Auf Anraten der Ärzte buchten wir ein Zimmer in einem nahegelegenen Hotel, damit sich der aus dem Takt geratene Gleichgewichtssinn und Magen-Darmtrakt beruhigen können.
Schweren Herzens musste am nächsten Morgen nach Abwägen der Risiken und unter Berücksichtigung der ärztlichen Empfehlungen die Entscheidung getroffen werden, dass die Segelreise für unser Crewmitglied leider nicht weitergehen konnte.
Bevor wir gegen Mittag mit reduzierter Crew ausliefen, trafen wir noch Segelfreunde vom Kat Big Easy.
Noch etwas erholungsbedürftig von den Nachtfahrten wählten wir nur das quasi ums Eck gelegene Methoni als unser Tagesziel.
Kaum abgelegt, wartete schon die nächste Herausforderung auf uns: Das Gäste-WC leckte an der Pumpe. Dank der großartigen spontanen Hilfe vom Christian von der Big Easy konnten wir das passende Ersatzteil bestellen und am nächsten Tag in Filikoundi in Empfang nehmen.
Abends genossen wir unser erstes griechisches Abendessen an Land – als Auftakt gabs gefüllte Zucchiniblüten, eine meiner Lieblingsvorspeisen in Griechenland :))
Am Freitag ging’s dann nach Filikoundi, wo wir den Ersatzteil fürs WC besorgten.
Und da Probleme ja bekanntlich selten alleine auftreten, wollte auch die Ankerwinsch plötzlich die Kette nicht mehr aufholen, bzw. kam sie erst nach mehrmaligem händischen „Pumpen“ wieder in die Gänge. Da wir ja grundsätzlich fast immer ankern und einen Verschleiß der Elektronik vermuteten, wollten wir kein Risiko eingehen und organisierten gleich noch über einen Anbieter in Deutschland eine neue, die wir hoffentlich in einer Woche in Chania (Kreta) in Empfang nehmen dürfen.
Nachmittags segelten wir dann in die Nacht hinein bis Porto Kagio, einem unserer Lieblingsplätze am Peloponnes, wo wir den letzten Tag der Segelwoche bei einem gemütlichen Ruhetag ausklingen ließen.
Empfohlene Revierführer und Seekarten rund um den Peloponnes
Wir haben so ziemlich alle gängigen Hafenhandbücher und Revierführer vom ionischen Meer. Folgende Literatur der Region verwenden wir persönlich gerne und können sie Euch auch guten Gewissens weiterempfehlen…
Hafenguide Griechenland 1* von Per Hotvedt, beinhaltet folgende Seegebiete: Albanien, Ionisches Meer inklusive Peloponnes, Golf von Korinth, der Küste von Athen einschließlich des Saronischen Golfs. Der sehr umfangreiche Hafenguide ist zwar teuer aber sein Geld wert. Durch die Luftaufnahmen aller beschriebenen Häfen und Ankerbuchten und die dazugehörenden Hafenpläne weiß man vorher schon genau, ob der angestrebte Ort auch den Wünschen der Mannschaft entspricht.
Seekarten* von Imray für das Ionische Meer. G12, G121, G13, G14, G15 und G16 sind bei uns alle als Backup neben den elektronischen Seekarten am Schiff vorhanden.
Peloponnes Reiseführer* von Hans-Peter Siebenhaar. Wir schätzen die Reise- und Wanderführer vom Michael Müller Verlag sehr – speziell deren individuelle Wandertipps.
Yachtcharter
Für eine Umrundung des Peloponnes empfehlen wir Euch als Ausgangs- und Endmarina Lefkas oder Athen und Umgebung. Beide Destinationen sind gut per internationaler Fluganbindung erreichbar.
2 Comments
Der Tunfisch begeistert mich !!! Immer, wenn ich meine Angel hinten mitlaufen lasse, passiert nichts (NICHTS) . Immer wieder probieren wir es, aber ohne Erfolg. Im Mai versuch ich es wieder. Die Lip. Inseln stehen auf dem Plan. — Vielleicht habt Ihr eine Idee? wäre Prima.
Grüße Werner
Hallo Werner,
freut uns, dass Dir unsere Berichte gefallen.
Beim Schleppangeln ist der Bootsspeed und der dazupassende Köder eines unserer Erfolgsgeheimnisse.
Köder ist bis 7 kn Speed ausgelegt und geht unter Fahrt auf ca. 2 Meter Tiefe…
Viel Erfolg!