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Sommergewitter in der nördlichen Adria

Es war Anfang Juli, und wir befanden uns mit unserer 40-Fuß Segelyacht NAMBAWAN auf einem gemütlichen Familientörn in der nördlichen Adria mit unserer Heimatmarina Capo Nord in Lignano als unseren Ausgangs- und Zielhafen.

Neben meiner Lebenspartnerin und Miteignerin Monika waren auch meine Schwiegereltern an Bord. Es war ihr erster Törn auf unserer eigenen Yacht, und es sollten ein paar entspannte und gemütliche Segeltage in der nördlichen Adria werden, mit spannenden Landausflügen und kulinarischen Erlebnissen auf der istrischen Halbinsel.

Monika und ich wollten den Törn nutzen, um unser neu erworbenes Boot besser kennen zu lernen, den Feintrimm der Segel auszureizen, und natürlich sollte sich unsere NAMBAWAN den Schwiegereltern gegenüber von ihrer besten Seite zeigen.

Nach einer problemlosen Anreise aus Wien am Mittwochabend trafen wir auf die erwartete drückende Hitze und fanden unsere NAMBAWAN wohlauf vor. Auch die Schwiegereltern waren bereits eingetroffen, somit stand dem von langer Hand geplanten Familientörn nichts mehr im Wege.
Am Donnerstag erkundeten die Schwiegereltern mit unseren Fahrrädern Lignano und Umgebung, während Monika beruflich einiges zu tun hatte und auf mich noch zahlreiche Optimierungen am Schiff warteten. Nach getaner Arbeit folgte der vor dem Auslaufen obligate Bordeinkauf und die Bordeinweisung.

Am Freitag war es dann endlich soweit, und wir liefen bei Hochwasser und stabilem Wetter bei 2-3 Windstärke aus NO aus und genossen die Sonne und hochsommerlichen Temperaturen, die bei uns zu Hause in Wien immer noch auf sich warten ließen. Badehosen-Segelwetter ohne Wolken am Horizont!
Außerhalb der Dalbenstraße der Lagune von Lignano setzten wir Kurs Richtung Umag (135 Grad) und die Segel unserer NAMBAWAN. Wir segelten die ersten Seemeilen ganz entspannt bei 4-5 Knoten Fahrt durchs Wasser Richtung Kroatien. Nachdem es so gemütlich dahin ging, beschlossen wir Spaghetti zu kochen, um gestärkt in die 20 Seemeilen dauernde Überfahrt zu gehen.

lignano-talbenstrasse

Während dem Kochen zogen ein paar kleinere Wolken auf. Es war zu erwarten, dass das schwüle Wetter irgendwann Bedeckung und Gewittergefahr mit sich bringen würde. Auch der Wetterbericht deutete auf mögliche örtliche Gewitterzonen hin.

Kaum hatten wir das Essen ins Cockpit serviert, hatte sich schon eine mächtige Wolkenfront gebildet und ein heftiges Gewitter auf See zeichnete sich ab. Ich wollte keine Hektik an Bord verbreiten, forderte jedoch meine Crew auf, zügig fertig zu essen.

Innerhalb weniger Minuten frischte der Wind deutlich auf, und die heran nahenden Gewitterwolken wurden nun auch von heftigen Böen begleitet. Monika und ich zogen uns Ölzeug und Gummistiefel an, legten gleich mal sicherheitshalber unsere aufblasbaren Rettungswesten samt Lifebelt an und refften als Vorsichtsmaßnahme umgehend des Groß und die Genua. Wir zogen trotzdem noch mit Halbwind-Kurs 6-7 Knoten Richtung Einklarierungshafen Umag.

Meine Schwiegereltern schickte ich unter Deck, da sie nicht gerade erfahrene Segler sind und es somit in einer Schwerwettersituation wie der herannahenden keinen Grund zum Verweilen an Deck gab.
Der weitere Verlauf verdeutlichte uns, dass wir keinesfalls zu früh oder übervorsichtig reagiert hatten, denn binnen weniger Minuten hatte uns die Gewitterzelle erreicht. Der Wind legte weiter zu und drehte immer mehr gegen den Uhrzeigersinn. Wir refften ein weiteres Mal und versuchten zu unserem Ziel aufzukreuzen. Wir konnten jedoch keine Höhe mehr laufen und sahen uns gezwungen Richtung Slowenien abzulaufen.

Ein Blitz nach dem anderen schlug in unserer unmittelbaren Nähe ein, begleitet von heftigem Donner. Die Schwiegereltern hatten eine derartige Situation noch nie an Bord erlebt und gerieten entsprechend in Panik, da sie nicht einschätzen konnten ob Gefahr bestand. Auch die sich durch den Wind aufbauenden Wellen und die an Deck schlagenden Schoten trugen nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei.

sturm-auf-see

Ich schickte nun auch Monika unter Deck, um bei ihren Eltern zu sein und ihnen die gesetzten Maßnahmen und die Situation zu erklären und ihnen zu zeigen, dass wir die Situation gut im Griff hatten und unter Deck keine Gefahr bestand. Ich startete den Motor und wetterte alleine unter Autopilot fahrend das Gewitter im Cockpit ab, während die Schwiegereltern ängstlich aus den Seitenluken die ins Meer einschlagenden Blitze verfolgten und vermutlich das eine oder andere Stoßgebet zum Himmel schickten.

Man liest ja immer wieder, dass in den Masten einschlagende Blitze die gesamte Bordelektronik zerstören und mitunter auch einen Kabelbrand auslösen können. Dinge, die man sich für seine eigene Yacht alles andere als wünscht, aber solche Gedanken sind in einer derartigen Situation natürlich präsent.

Die Tatsache, dass sich nach einem Blitzschlag der Motor oft nicht mehr starten lässt, war mit ein Grund, weshalb ich den Motor unmittelbar gestartet habe. Den Autopilot aktivierte ich, um keine metallischen Teile berühren zu müssen. Dadurch fühlte ich mich sicherer im Falle eines potentiellen Blitzeinschlags. Ich stand somit unter dem Rigg quasi in einem faradayschen Käfig und hatte zum Boden hin mit meinen Gummistiefeln eine gute Isolierung.

Starkregen, Nebel und Wind mit Sturmstärke waren so heftig, dass wir maximal 50 Meter weit sehen konnten. Durch das mehrfache Aufschießen und Reffen verloren wir kurzzeitig die Orientierung. Wir schalteten zur Sicherheit die Navigationsbeleuchtung ein, denn die Gewitterfront blieb hartnäckig und drehte sich regelrecht im Kreis. Zwischenzeitig war es auch mal fast windstill; zu diesem Zeitpunkt mussten wir uns genau im Auge der Gewitterzelle befunden haben. Danach wurde der Wind immer wieder stärker, und wir hatten das Gefühl in der Zelle gefangen zu sein, denn der Sturm legte sogar noch etwas zu, sodass wir Mühe hatten unter Motor und stark gerefften Segeln aus der Gewitterzelle zu kommen.

Als wir die Front schlussendlich durchquert hatten und sich der Nebel lichtete, sahen wir ca. 200 Meter entfernt einen großen Frachter Richtung Süden fahrend. Schockiert stellten wir fest, dass wir das große Schiff beim Passieren überhaupt nicht wahrgenommen hatten, wobei wir laut KVR verpflichtet gewesen wären, unsere Radaranlage gehörig zu benutzen! Regel 7 b „Möglichkeit der Gefahr eines Zusammenstoßes“ und Regel 19 d „Verhalten von Fahrzeugen bei verminderter Sicht“ haben wir laut KVR vernachlässigt. Aus Erfahrung lernt man bekanntlich immer; für uns heißt es künftig bei deutlich verminderter Sicht immer „Radar Ein“.

Wir wurden von diesem schnell aufziehenden Sommergewitter ziemlich überrascht und hatten auch dessen Intensität unterschätzt. Wir hatten alle Hände voll zu tun und fanden somit während des Durchfahrens der Gewitterzelle keine Zeit, um das Radar zu aktivieren und vor allen Dingen zu bedienen.

Schön langsam arbeitete sich die Sonne wieder hinter der Front durch, die Wogen glätteten sich, und ich konnte meinen immer noch ängstlich schauenden Schwiegereltern Entwarnung geben und sie zurück ins Cockpit holen, um die von Wind und Regen gesäuberte Frischluft zu genießen.

Monika und ich legten unser Schwerwetterzeug nach dem erfolgreich abgewetterten Sommergewitter ab, prüften alle an Deck verzurrten Gegenstände und das stehende und laufende Gut auf Funktionstüchtigkeit und legten erneut Kurs auf Umag an, wo wir schlussendlich doch noch einklarierten. Nach dem Einklarieren war die Gewitterzelle endgültig Richtung Slowenien abgezogen und verschwunden. Wir segelten bei 2-3 Windstärke noch weiter Richtung Novigrad und wurden als Belohnung für die Strapazen von einer riesigen Delfinschule in den Sonnenuntergang begleitet.
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Lessons Learned im Sommergewitter

  • Rückblickend würde ich in derartigen Schwerwettersituationen in jedem Fall unerfahrene Crew wieder unter Deck schicken und mir auch wieder verdeutlichen, dass sich Personen ohne Erfahrung in so einem Fall in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, da sie die Gefahr nicht einschätzen können. Umso wichtiger ist es, ihnen Gehör zu schenken, die Situation und gesetzten Maßnahmen zu erklären, um ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und zu zeigen, dass die Situation unter Kontrolle ist.
    Dabei hat es sich als sehr hilfreich erwiesen, dass auch meine Lebenspartnerin eine erfahrene und ausgebildete Skipperin ist, die einer derartigen Schwerwettersituation gefasst begegnet und auch mit Hand anlegen kann.
  • Auf jeden Fall ist es wichtig frühzeitig das Ölzeug, Gummistiefel und Rettungsweste sowie Lifebelt anzulegen und entsprechend ins Strecktau einpicken und möglichst frühzeitig zu reffen. Strecktaue gehören immer vor dem Törn ausgebracht um gegebenenfalls auch bei Schwerwetter sicher am Vorschiff hantieren zu können.
  • Die beschriebene Schwerwettersituation hat uns auch für die Zukunft gelehrt, die an Bord befindliche Radaranlage bei verminderter Sicht in jedem Fall zu aktivieren, um ein Manöver zur Vermeidung eines Zusammenstoßes zu verhindern. Bei dichtem Nebel ist es überdies ratsam regelmäßig Schallsignale zu geben. (Schallsignal für Segelfahrzeug mit Hupe oder Pfeife: Lang – Kurz – Kurz; alle zwei Minuten wiederholen.)
  • Ein weiterer Sicherheitsfaktor ist natürlich die Ausstattung des Schiffes mit einem aktiven und passiven AIS System.
  • Empfehlen kann ich für Schwerwettersituationen alle Leinen vom Cockpit aus bedienbar zu machen, da dies die Gefahr des Überbordgehens sowie die Verletzungsgefahr bei Arbeiten am Vorschiff erheblich minimiert.

Dieses Sommergewitter ist unter anderem im Buch Gewitter Segeln erschienen. Hier ein paar Infos zum Buch…

Gewitter Segeln

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Gewitter Segeln ist ein Gemeinschaftsprojekt von 40 Autoren. Fahrtensegler, Fotografen, Yachtversicherer und ein Meteorologe berichten von ihren Gewitter-Erfahrungen auf See…

Durch die schonungslos authentischen Erfahrungsberichte liefert Gewitter Segeln eine glaubwürdige Folie, vor der sich jeder Skipper prüfen kann: „Was hätte ich getan?“

272 Seiten, von leidenschaftlichen Seglern geschrieben. Aus der Community. Für die Community. Würde mich freuen, wenn auch du das überaus lehrreiche Buch noch vor deinem nächsten Gewitter liest!

Leseprobe Gewitter Segeln

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Empfohlene Revierführer und Seekarten für Kroatien

Wir haben so ziemlich alle gängigen Hafenhandbücher und Revierführer von Kroatien in den letzten Jahren gesichtet. Folgende Literatur des Seegebiets verwenden wir persönlich gerne und können sie Euch auch guten Gewissens weiterempfehlen…

Kroatien, Slowenien & Montenegro – 888 Häfen und Buchten* von Karl-Heinz Beständig. Dieser Buchten- und Hafenführer ist das Standardwerk für das oben angeführte Seegebiet schlechthin. Diesen Guide sollte sich eigentlich jeder zulegen, egal ob Charterskipper oder Eigner.

Hafenguide – Kroatien, Montenegro und Slowenien* von Emma Glaumann, Joakim Hermansson und Per Hotvedt. Diese Art von Hafenführer mit übersichtlichen Luftaufnahmen und klassischen Hafenplänen werden sich unserer Meinung nach in den nächsten Jahren durchsetzen. Sie sind zwar teuer, aber ihr Geld wert! Durch die Luftaufnahmen aller beschriebenen Häfen und Ankerbuchten und die dazugehörenden Hafenpläne weiß man vorher schon genau, ob der angestrebte Ort auch den Wünschen der Mannschaft entspricht. Also gerade für Crews mit wenig Zeit am Wasser ein ideales Planungswerkzeug. Dieser virtuelle Guide soll auf Adria-Törns in keinem Cockpit fehlen!

Sportbootkartensatz Adria Nord* von Delius Klasing. Der sehr übersichtliche Sportbootkartensatz enthält 3 Überseglerkarten sowie 25 Revier- und Detailkarten zur Navigation an der Adriaküste von Venedig über Rijeka und Sibenik bis Drvenik V. – inklusive der Inseln.

Sportbootkartensatz Adria Süd* von Delius Klasing. Der sehr übersichtliche Sportbootkartensatz enthält 3 Überseglerkarten sowie 16 Revier- und Detailkarten zur Navigation an der Adriaküste Kroatiens und Montenegros im Abschnitt von Zirje über Split und Dubrovnik bis Bar – inklusive der Inseln.

Reiseführer mit vielen praktischen Tipps – Kroatische Inseln und Küstenstädte* von Lore Marr-Bieger. Wir schätzen die Reise- und Wanderführer vom Michael Müller Verlag sehr – speziell deren individuelle Wandertipps.

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Markus Silbergasser

Markus Silbergasser

Ich bin leidenschaftlicher Fahrtensegler, Blogger, freiberuflicher Yachtredakteur und Reisefotograf mit über 47.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser. Segle als Ausgleich und Quelle der Inspiration.
Details zu meiner maritimen Ausbildung und Reviererfahrung findet Ihr hier...

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