Eine Entdeckungsreise nach Capraia, Korsika und in das La-Maddalena-Archipel
Spontan entschloss ich mich über Pfingsten 2019 eine gute Woche dem Büroalltag zu entfliehen. Mit Laudamotion ging es um knappe 50 Euro nach Pisa, Gepäck und pünktliche Landung inklusive. Von Pisa Centrale dann weiter mit dem Zug nach Rosignano, von dort zu Fuß in die Marina Cala de’ Medici (Google-Maps), wo Markus und unsere NAMBAWAN auf mich warteten, um gleich nach meiner Ankunft Richtung Capraia abzulegen.
Capraia, ein Kleinod des Toskanischen Archipels
Die noch frühlingshaften Temperaturen lassen einen den Windbreaker nur zaghaft ablegen, zu frisch der Wind, der uns mit gut 20 Knoten die 33 Seemeilen nach Capraia schiebt.
Die kleine, nördlich von Elba gelegene Insel des Toskanischen Archipels war schon in der Antike besiedelt und wurde im Mittelalter heftig umkämpft. Die Festungsanlage und einige gut erhaltene Wehrtürme sind die übrig gebliebenen Zeugen dieser Zeit. Bis Mitte der 1980er Jahre diente Capraia als Gefängnisinsel und wurde erst danach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Heute wirkt Capraia wie in einen Dornröschenschlaf versunken, so idyllisch liegt sie da und genießt den Status als Naturreservat, dem vereinzelt Taucher und Wanderer einen Besuch abstatten. So zumindest zeigt sie sich uns in der Vorsaison. Die Anzahl der Liegeplätze im kleinen Hafen und Muringbojen lässt auf eine deutlich betriebsamere Sommersaison schließen.
Wir lassen in der Bucht südlich der Hafeneinfahrt am Fuße des Torre del Porto neben dem Bojenfeld, wo nach einem ganz eigenwilligen System angelegt wird, unseren Anker fallen (Google-Maps) und genießen umgehend die Idylle. Die Natur lässt sich hier förmlich einatmen, mit allen Sinnen wahrnehmen. Die Möwen schreien um die Wette und umkreisen die Fischer beim Einlaufen in den Hafen in der Hoffnung, dass ein Leckerbissen abfällt.
Das Wasser ist glasklar und lädt mich trotz bescheidenen 20 Grad und noch bescheidenerer Lufttemperatur zum Auftakt der heurigen Badesaison ein. Beschaulich geht es auch bei unserer Landerkundung zu. Irgendwie aber auch ein bisschen unheimlich, trägt man doch beim Spaziergang die Gedanken daran, dass hier bis vor einigen Jahrzehnten ausschließlich Verbrecher beheimatet waren, mit im Marschgepäck. Der Streifzug durch die besiedelten Gebiete dauert nicht lange, denn sie bestehen nur aus einer Häuserzeile an der Hafenpromenade, sowie einer kleinen, oberhalb des Hafens gelegenen Ortschaft names Capraia Isola, deren Ortsbild von der Festung San Giorgo geprägt wird, die direkt in die steile Felswand gemauert wurde. Ein verschlafener Ort mit ein paar Restaurants, einem Minimarket und ein paar Cafés.
Kulinarisch hat uns Capraia überrascht. Man legt hier viel Wert auf hochwertige regionale Zutaten. Die zahlreichen Wildkräuter verleihen den Gerichten einen ganz eigenen Geschmack. Wir haben auf Capraia übrigens die besten Calamari Fritti unseres Lebens gegessen. Totano findet sich hier generell recht dominant auf den Speisekarten.
Es gibt abseits der Anlegemöglichkeiten im Hafen auch einige Ankerplätze in einsamen Buchten. Es empfiehlt sich aber genau die Vorschriften und aktuelle Seekarten zu prüfen, da die gesamte Insel unter Naturschutz gestellt wurde und das umliegende Seegebiet in zwei Schutzzonen eingeteilt wurde.
Als wir von Porto ablegten und Richtung Cap Corse aufbrachen, segelten wir noch an der beeindruckenden Cala Rossa vorbei, eine Bucht mit rot schimmerndem Vulkankegel am südlichen Ende der Insel. Auch ein alter Wehrturm aus dem 16. Jahrhundert ist noch sichtbar, dieser stammt noch aus der Zeit als Genua Capraia zu seinem Besitz zählte.
Unter Segeln Korsika erkunden
Bei gutem achterlichen Wind legten wir Kurs auf Cap Corse. Nach einem Tagesetmal von 50 Seemeilen sind wir gerade noch mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages in die Ostriconi Bucht (Google-Maps) eingelaufen und haben die Einsamkeit in der Natur genossen. Am frühen Morgen begrüßte uns das Meer imposant türkisfarben und ein menschenleerer, kilometerlanger Sandstrand, gesäumt von idyllischen Wanderwegen, dahinter üppige Vegetation.
Nach einem ausgiebigen Morgenspaziergang ging es unter Motor, von mystischen Nebelschwaden begleitet, die Westküste Korsikas entlang Richtung Süden. Tapfer kämpften sich ein paar Sonnenstrahlen durch die Nebeldecke und ließen die imposanten, roten Felsformationen im Rampenlicht erscheinen.
Ein einzigartiges und spektakuläres Naturerlebnis bietet die Gargalu Passage. An der engsten Stelle nur 15 Meter breit (Google-Maps), gesäumt von steilen Felsformationen und 3 Meter tief, ist die Passage allerdings nichts für schwache Skipper-Nerven ;-). Mit Ausguck vom Bug aus konnten wir bei ruhiger See problemlos durchnavigieren, wirklich beeindruckend!
Danach ging’s hinein in den weitläufigen Golf von Girolata bis zur Höhe des alten Wehrturms wo wir dann den Anker fallen ließen. Beinahe hätten wir uns von Berichten in Segelforen abschrecken lassen, die über die hohen Preise und Abzocke an den Bojen herzogen und meinten, dass die Bucht keine Ankermöglichkeit mehr biete. Die Bojen wurden Mitte Juni gerade erst gesetzt, die Taucher waren auch am Wochenende fleißig, aber wir konnten anstandslos auf Höhe des Turms an der gegenüberliegenden Seite kostenfrei ankern (Google-Maps).
Einmal mehr fühlten wir uns bestätigt, dass es sich immer lohnt sich seine eigene Meinung zu bilden und sich nicht gleich von negativen Kommentaren abschrecken zu lassen. Für uns zählt Girolata definitiv zu den Lieblingsorten auf Korsika. Der Ort lässt sich nur per Boot oder zu Fuß über alte Eselpfade und Wanderwege erreichen, wurde erst 1980 ans Stromnetz angeschlossen und präsentiert sich in einem relaxten shabby chic Stil. Das Preisniveau ist tatsächlich etwas gehoben, wie fast überall auf Korsika, aber es müssen ja nicht immer drei oder vier Gänge sein 🙂. Wir haben unser Abendessen in einer Strandkneipe mit Blick auf unsere NAMBAWAN, das beeindruckende Bergmassiv und die untergehende Sonne genossen.
In der Früh starteten wir zu einem Berglauf den alten Eselpfad entlang, nachdem wir uns beim Anlanden mit dem Dinghy den Strand mit einer Kuhherde teilten, die ihren Morgenspaziergang am Strand sichtlich genoss. Die Aussicht als „atemberaubend“ zu beschreiben erscheint beinahe untertrieben. Nach dem Morgensport ließen wir uns in einer der Strandbars im Edel-Aussteiger Look in einer Grünoase mitten am Strand verwöhnen. Serviert wurden typisch korsische Speisen, Süßspeisen aus Kastanienmehl und Teigtaschen gefüllt mit Mangold und scharfem Ziegenkäse.
Gegen Mittag brachen wir unter Motor bei wenig bis keinem Wind auf. Es ging vorbei an dem von griechischen Einwandern gegründeten Ort Cargèse, den wir gerne besucht hätten, doch leider fehlte uns die Zeit dazu. Es ging vorbei an den Îles Sanguinaires, den blutigen Inseln. Ein unberührtes Naturschutzgebiet, das ein wenig an die Naturkulissen von Rosamunde Pilcher Filmen erinnert.
Geankert haben wir in der Anse de Sainte Barbe vor Isolella, einer um diese Jahreszeit noch verschlafenen Feriensiedlung (Google-Maps). Nachts mussten wir wegen Starkwind und drohender Legerwall Gefahr umankern, wie immer kein Spaß, aber was sein muss muss sein :-).
Am nächsten Tag hatten wir guten Segelwind, allerdings bei schlechter Sicht aufgrund von recht dichtem Nebel. Wir ankerten in der breiten, gut geschützten Bucht Belvédère-Campomoro, einem beliebten Ankerspot (Google-Maps) für Fahrtensegler, vor dem kleinen verschlafenen Dorf. Ganz großes Naturhafenkino! Tapfer kämpfte sich auch die Sonne wieder durch die dicke Wolkendecke und sorgte für wohlige Wärme am Rücken. Mit ein wenig Zähne Zusammenbeißen wagten wir noch einen abendlichen Sprung ins Wasser, bevor wir das Dorf besuchten und uns zu einem französischen Burger mit Pommes hinreißen ließen.
Am nächsten Morgen gingen wir wieder ausgiebig unserer zweiten Leidenschaft neben dem Segeln, dem Lauf- und Wandersport nach. Ein unglaublich schöner Wanderweg führt die Küste entlang zum Genueserturm. Ein toller Ausblick auf die eindrucksvollen Felsformationen, die die Kraft des Meers und seiner Gischt wieder mal deutlich erahnen lassen. Die Rundwanderung ist jedem Besucher wärmstens zu empfehlen.
Am Retourweg haben wir bei einem Mini-Greißler am Strand noch das Notwendigste an Proviant besorgt, um die nächsten Tage über die Runden zu kommen. Die Preise sind hier schon deutlich höher als in Italien, aber lieber unterstützen wir jedenfalls die kleinen Läden als die großen Supermarktketten.
Kurz vor Mittag sind wir dann abgelegt und die Küste entlang südwärts gesegelt. Damit der Adrenalinpegel schön hoch bleibt, machten wir einen Badestopp in der äußerst pittoresken aber enorm engen Bucht Murtoli, wo nur ein Boot an einer Boje Platz findet (Google-Maps). Ich hatte die glückliche Aufgabe die Boje mit einem Lassowurf einzufangen und wie in allen brenzligen Situationen hatte ich auf Anweisung des Skippers „nur einen Versuch“ ;). Ein Nervenkitzel, auf den ich im Urlaub gerne verzichte, vor allem bei zunehmendem Wind.
Danach ging es zwei Buchten weiter zu einem Badestopp (Google-Maps) in der Cala di Roccapina, noch nicht ahnend, dass es hier zu einem weiteren unerwarteten Abenteuer kommen würde. Wir wollten zum Lion de Roccapina, einer Felsformation in Form eines Löwen hochsteigen, doch verfehlten den Weg und endeten ungewollt in einem nicht ungefährlichen free climb, der zum Glück ohne Zwischenfälle ausging.
Relativ ausgepowert von der anspruchsvollen Kletterei und mit von den Dornenbüschen zerkratzten Beinen, entschlossen wir uns trotzdem noch zur Weiterfahrt, da wir uns nach einem netten Restaurant für ein wohlverdientes Abendessen sehnten.
Wir übernachteten in der Baie de Figari angelegt an zwei Bojen (Google-Maps), nach einem nicht ganz einfachen Manöver umgeben von im Brackwasser gestrandeten Booten. Die Kneipe für unser Abendessen wartete aber leider nicht wie erhofft am Strand, es war wie so oft bei diesem Trip noch zu früh in der Saison. Deshalb gab es nochmals eine Sporteinheit, hinauf den Berg und einige Kilometer bis zum nächst gelegenen Ort wandern, um dort festzustellen, dass auch hier nur eine Snack Bar offen hatte. Hiermit war unser Jahresbedarf an Pommes dann endgültig gedeckt!
Am nächsten Morgen brachen wir bei super Westwind auf und segelten mit stabilem achterlichen Wind durch die Straße von Bonifacio mit der gut geschützten Bucht Sant’ Amanza an der Südostseite von Korsika als Tagesziel (Google-Maps). Tag darauf segelten wir nur ein paar Seemeilen weiter gen Süden zur Inselgruppe Lavezzi. Die vielen kleinen Inseln und Felsenriffe, meist aus Granit, sollte man wenn möglich unbedingt auch mal erkunden. Passend zu Wind und Wetter sucht man sich einen der vielen Ankerplätze rund um die Hauptinsel aus (Google-Maps).
Am nächsten Tag beruhigte sich das Wetter wieder etwas, und wir konnten nach Italien weitersegeln und einige Inseln des La Maddalena Archipels zu Fuß, schwimmend und per Drohne erkunden. Ankerplatz (Google-Maps) inmitten der drei sternförmig zueinander liegenden Inseln Razzoli, Santa Maria und Budelli.
Abends ankerten wir vor der verlassenen Club Med Anlage in der Garibaldi Bucht (Google-Maps) und spazierten in den Hauptort der Insel Maddalena. Wieder mal ein recht langer Fußweg, für den wir aber mit erstklassiger Meeresfrüchte Küche in einer ausschließlich von Einheimischen besuchten Trattoria Bar La Baracca s.r.l. (Google-Maps) belohnt wurden. Am Rückweg stöberten wir einige Wildschweine am Wegrand in der stockdunklen Nacht auf. Mit einem Ast in der Hand fühlten wir uns dann doch stärker und ein klein wenig sicherer ;-).
Am nächsten Tag ging es dann leider schon wieder dem Ende unserer gemeinsamen Reise zu. Wir liefen die Marina Sardo in Cannigione an (Google-Maps), betankten unsere SY NAMBAWAN und sorgten für Verproviantierung und Schiffsputz. Nach über einer Woche in der Natur tat etwas Infrastruktur mal wieder richtig gut. Abends genossen wir nochmals Meeresfrüchte vom Feinsten im einfachen Imbisslokal Tavola Blu. Bester insalata di polpo der Region!
Kulinarisch hat bei uns Sardinien eindeutig die Nase vorn, die Natur ist aber auf beiden Inseln atemberaubend schön.
Wenn ihr noch weitere Törninspirationen vom La-Maddalena-Archipel sucht, schaut mal hier vorbei.
⇒⇒⇒ Törntipps vom La-Maddalena-Archipel ⇐⇐⇐
Empfohlene Revierführer und Seekarten für die Inseln Capraia, Korsika und dem La-Maddalena-Archipel
Wir haben so ziemlich alle gängigen Hafenhandbücher und Revierführer von dem oben beschriebenen Seegebiet. Folgende Literatur der Region verwenden wir persönlich gerne und können sie Euch auch guten Gewissens weiterempfehlen…
Küstenhandbuch Italien: Ventimiglia – Brindisi, mit Sardinien, Sizilien und Malta* von Rod Heikell
Dieser Revierführer ist das unverzichtbare Standardwerk für jeden Yachtsegler in italienischen Gewässern. Es beschreibt sämtliche Küsten und Inseln Italiens und ist so dem Yachteigner oder Charterskipper ein zuverlässiger Begleiter vor und während des Törns. Genaue Informationen zu sämtlichen Häfen und Ankerplätzen werden ergänzt durch wichtige Informationen zu Formalitäten und Vorschriften, Klima, Wetter, Land und Leuten.
Törnführer Korsika – Sardinien – Elba* von Klaus-Jürgen Röhring
Corsica and North Sardinia: Including La Maddalena Archipelago* von John Marchment in Englisch
Korsika, Sardinien, Elba: Häfen und Küsten von oben* von Martin Muth
Ein Bildband mit schönen Luftaufnahmen und Ansichten von Korsika, Sardinien und Elba. Der Bildband hat uns geholfen, die schönsten Plätze entlang der Küste einfacher zu finden. Leider ist das Buch sehr unübersichtlich aufgebaut. Trotzdem war der Bildband für unsere Reise sehr hilfreich.
Sardinien Reiseführer* von Eberhard Fohrer. Individuell Reisen mit vielen praktischen Tipps, nennt sich der kompetente und übersichtlich gestaltete Reise- und Wanderführer vom Michael Müller Verlag.
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