Wegweisendes Gerichtsurteil für Charter-Skipper
Charter-Skipper aufgepasst, hier geht es um Eure Rechte beim Chartern im EU-Ausland! Ein deutscher Charterer hatte einen griechischen Vercharterer und den involvierten deutschen Yachtvermittler an seinem Wohnsitzgericht wegen einer ihm mangelhaft übergebenen Yacht und einer späteren ungerecht empfundenen Einbehaltung der Kautionssumme verklagt. Zu solchen Konflikten kommt es leider immer wieder, aber nur die wenigsten Skipper gehen dagegen gerichtlich vor. Im Kleingedruckten der AGBs des Vercharterers steht da nämlich sehr oft der Gerichtsstand des Flottenbetreibers und demnach dort die Klage einzubringen ist. Das ist den meisten Skippern dann doch zu zeitaufwändig und mühsam, vor allem aber zu teuer. Dieser Präzedenzfall zeigt, dass diese Befürchtungen unberechtigt sind!
Der deutsche Charterskipper brachte seine Klage also nicht wie in den AGBs festgehalten im Ausland ein, sondern an seinem Wohnsitzgericht. Daher musste zunächst erstmals die Gerichtsstand-Frage geklärt werden. Das Bayrische Oberste Landesgericht hat nun endgültig geklärt, dass der Gerichtsstand des Verbrauchers gilt. Es ist zu erwarten, dass sich in Zukunft andere Gerichte in gleich gelagerten Fällen daran orientieren. Über die Tragweite dieses Rechtsfalls habe ich den in Rechtsfragen der Skipper engaschierten Dr. Schöchl befragt…
Herr Dr. Schöchl, in Ihrem Buch “Die Haftung des Skippers“ haben Sie schon vor Jahren im Kapitel der rechtswidrigen Klauseln auch auf die rechtlich nicht haltbare einseitige Bestimmung des Gerichtsstandes in den AGBs des Großteils der Flottenbetreiber ausführlich hingewiesen. Warum gilt das Urteil des oben erläuterten Sachverhaltes vom Sommer diesen Jahres nun als Meilenstein der Rechtsprechung?
Ja, dieses Gerichtsurteil haben wir schon seit langem erwartet. Nun wurde unsere jahrelange Kritik des Gerichtsstandes am Sitz der Flottenbetreiber, der derzeit noch in vielen AGBs angeführt ist, vom Bayerischen Oberlandesgericht für ein und allemal geklärt. Die von mir interpretierte graue Rechtstheorie wurde nun in der Praxis bestätigt.
Diese Regelung der Gerichtsstandsbestimmung mit den damit zusammenhängenden Folgen wurde europaweit bereits vor 10 Jahren eingeführt und von Ihnen schon damals veröffentlicht. Wie kann es kommen, dass davon erst jetzt praktisch Gebrauch gemacht wurde?
Weil viel zu wenige mein Buch lesen – nein, das ist ein Scherz. Aber richtig ist, dass darüber tatsächlich ein weit verbreitetes Unwissen bei allen Beteiligten herrscht. Und das war auch immer der Grund warum im Konfliktfall die Betroffenen auf die Wahrnehmung ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Rechte verzichteten. Denn sie scheuten die Kosten, den Zeitaufwand und das ungewisse Ergebnis der Beurteilung des ausländischen Gerichtes. Was bei „größeren“ Streitwerten durchaus nachvollziehbar ist. Wobei es bei größeren Streitwerten i.d.R. um Haftpflichtfragen geht, die vielfach auf Kosten der Skipperhaftpflichtversicherung geklärt werden können.
Aber eben nicht für Streitwerte unter 5.000 EUR. Denn dafür hat die EU sogar ein vereinfachtes Verfahren geschaffen, das dem Verbraucher dieses Risiko weitgehend abnimmt. Und genau in diesem Bereich, wo es i.d.R. um die Kaution geht, kommt es natürlich auch am häufigsten zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen Flottenbetreibern und Charterern.
Wie häufig kommt es eigentlich Ihrer Erfahrung nach zu Streitigkeiten mit Flottenbetreibern wegen Beschädigungen der Schiffe?
Relativ häufig, alledrings mit Betonung auf relativ, weil man die Anzahl der Auseinandersetzungen ja auch auf die Gesamtzahl der Charterverträge beziehen muss. Aber für jeden Einzelnen, der sich in seinen Rechten beschnitten fühlt, können sich die schönsten Tage des Jahres deshalb schnell in ein Frusterlebnis verwandeln. Nicht jeder Skipper, der sich im Recht glaubt, muss auch immer im Recht sein. Aber gerade deshalb ist es für alle Beteiligten wichtig, dass unterschiedliche Rechtsauffassungen objektiv geklärt werden. Und zwar von einem Gericht, das das Vertrauen des Schwächeren (hier der private Skipper) hat.
Sie haben „privater“ Skipper gesagt. Gilt das vereinfachte Verfahren nicht, wenn z.B. eine Segelschule, oder eine Firma ein Schiff zu Teambuilding-Zwecken chartert?
Nach meiner Kenntnis ist dieses Urteil nicht 1:1 auf gewerbliche Kunden übertragbar, denn es handelt sich hier nicht um einen „Verbraucher“ im Sinne der EU-Bestimmungen. Das vereinfachte Verfahren, das im Wesentlichen online oder schriftlich abgewickelt wird.
Wieso kommt es überhaupt immer wieder zu Auseinandersetzungen? Ist der Skipper nicht ohnedies immer für alle Schäden, die während seiner Charter am Schiff entstehen, verantwortlich? Um das eindeutig zu klären steht deshalb ja auch häufig in den AGBs der Flottenbetreiber, zumindest sinngemäß: „Das Schiff ist in dem Zustand zurückzugeben, in dem es übernommen wurde.“
Dass das die ziemlich einhellige Meinung der Flottenbetreiber ist, ist richtig, aber leider falsch. Denn nach dem BGB (Bürgerliches Gesetzbuch / Deutschland) oder ABGB (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch / Österreich) haftet der Skipper nur für die Schäden, die er schuldhaft verursacht hat. Und deshalb ist auch die Gerichtsstandbestimmung und das damit verbundene Recht für den Skipper so wichtig. Aber zur Klarstellung muss im Sinne von „relativ” auch gesagt werden, dass es gerade in Bezug auf den Einbehalt von Kautionen aus unserer Erfahrung aus tausenden von Kautionsschäden, die wir all die Jahre regulierten, solche und solche Firmen gibt. Immer wieder werden wir von unseren Kunden deshalb auch gefragt: „Gibt es nicht eine schwarze Liste?“. Haben wir schon, können wir aber nicht veröffentlichen, um einen Tsunami von Klagen zu vermeiden.
Mit der Zunahme des Wettbewerbs der letzten Jahre, haben wir auch eine Zunahme zweifelhafter und auch klar widerrechtlicher Einbehalte hinterlegter Kautionen bei manchen Flottenbetreibern feststellen müssen. Das war im Übrigen mit ein Grund, warum wir, sozusagen als „Weiße Liste“ unser Qualitäts-Siegel „CHECKED & TRUSTED by YACHT-POOL“ einführten, das nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse der Flottenbetreiber auf Grund jährlich eingereichter Bilanzzahlen beurteilt, sondern auch das allgemeine Geschäftsgebaren, wozu auch das Kautionsverhalten gehört.
Aber mitunter kommt es auch aus schlichtem Unverständnis der tatsächlichen Rechtslage zu „gut gemeinten“ rechtswidrigen Einbehalten. So erklärte mir ein von seinem Recht überzeugter Flottenbetreiber, dass ihm das mit der Schuldhaftigkeit schon klar sei. Und deshalb sei der Skipper für den Blitzeinschlag in Mali Lošinj eben schuld, denn wäre er nicht von Biograd nach Mali Lošinj gesegelt, dann hätte ihn dort auch der Blitz nicht getroffen.
Werden die Charterfirmen das Urteil überhaupt mitbekommen und realisieren, was es für sie bedeutet?
Ja, das glaube ich schon. Es wird allerdings nur für diejenigen eine Änderung ihres Verhaltens bedeuten, die in der ungerechtfertigten Einbehaltung von Kautionen eine zusätzliche Ertragssteigerung sahen oder für die, die sich mit den rechtlichen Regeln bisher nicht entsprechend auseinandersetzten.
Für die Branche insgesamt bedeutet es auf alle Fälle einen Image Gewinn, wenn es weniger Skipper gibt, die sich subjektiv ungerecht abgezockt fühlen und dies in ihren Segelclubs weitererzählen. Denn rechtliche Klärungen durch das vereinfachte Verfahren werden zu mehr Objektivität führen und auf alle Fälle bewusste Rechtsverstöße verringern.
Danke für das Gespräch. Nun eine Frage an unsere LeserInnen. Wer von Euch hat schon mal eine ungerechtfertigt empfundene Forderung vom Vercharterer zu Törnende akzeptiert? Lasst uns an Euren Erfahrungen teilhaben – bitte dazu unten kommentieren…
Weiterführende Infos
Bericht zum Thema von ocean7 – Wo der Kläger, da der Richter
Verfahren wegen Zuständigkeitsbestimmung vom BayObLG München, Beschluss v. 23.07.2020 – 1 AR 31/20
Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen
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